Als Mensch und Künstler gleichermaßen verantwortlich - zur Sakralgestaltung Gotha

Thüringer Tageblatt, 18.8.1981 - von Helmut Steiner

Vor 125 Jahren, am 19. Oktober, wurde mit der Bonifatiuskirche in Gotha der erste katholische Kirchenbau der Neuzeit dieser Stadt eingeweiht. Der neugotische Entwurf stammte von dem gothaischen Baurat und Schinkelschüler Gustav Eberhard (1805-1880). Gegenwärtig nun beginnt ein Künstler aus Friedrichroda, der Bildhauer, Maler und Grafiker Werner Schubert-Deister in dieser Kirche mit der künstlerischen Neugestaltung des Altarraumes. Für ihn ist die St. Bonifatiuskirche jedoch kein „Neuland“, befindet sich hier doch bereits seit Jahren der Standort einer seiner wohl schönsten Plastiken – einer überlebensgroßen stehenden Maria mit dem Kinde. Darüberhinaus lassen sich aber auch in anderen Städten des Thüringer Raumes Arbeiten von Schubert-Deister finden, so u.a. in den katholischen Kirchen von Schmalkalden und Meiningen.

Doch der Friedrichrodaer Künstler weiß seinen Wirkungsbereich nicht nur auf den Sakralraum beschränkt, seine unverwechselbaren Arbeiten entdeckt man u.a. auch im Eingang und Treppenhaus des 1978 fertiggestellten Verwaltungsgebäudes des Staatlichen Forstwirschaftsbetriebes Gotha und im großen Speisesaal des neuen FDGB-Ferienheims „August-Bebel“ auf dem Reinhardsberg bei Friedrichroda. Schubert-Deister ist dadurch vielen Menschen kein Unbekannter mehr, sind doch seine Arbeiten jedermann zugänglich und können im wahrsten Sinne des Wortes begreifend in Besitz genommen werden. Diese „Popularität“ kommt nicht zuletzt aus dem eigen-artigen Wesen und Werk dieses Künstlers. Art und Phänotyp Schubert-Deister dürfen in unserer Kunstlandschaft in ihrer Art wohl einzig sein.

In Friedrichroda – der Künstler schätzt trotz steigender Urlauberströme diesen Ort immer noch – lebt er und arbeitet er nun schon seit Jahrzehnten, aber was fast wichtiger ist, hier fühlt er sich als Mensch und Künstler gleichermaßen mit verantwortlich. Zur Eigenart dieses Künstlers gehört auch, dass er teilweise (oder muss gesagt werden „häufig“) unentgeltlich zu seiner und der anderen Freude Fassadenmalereien ausführt, so z.B. an dem privaten Hinterhaus eines ehemaligen Fuhrwerkbesitzers in der Karl-Marx-Straße. Das Ergebnis ist staunenswert, und man wünschte solche Wirkungen nicht nur für Friedrichroda, gibt es doch in vielen größeren Städten dazu einladende Hausgiebel und -wände.

Werner Schubert-Deister ist nahezu beängstigend produktiv. Kunst ist für ihn Leben, und Leben ist ihm ständige und spontane Aktion. Diese Produktivität hat aber auch Nachteile, scheint es doch so, als ob bei ihm die Kriterien kunstwissenschaftlicher Kunstbenotung nicht recht greifen. Anders scheint die nur spärliche Anerkennung seiner Malerei nicht deutbar.

Der künstlerische Weg Schubert-Deisters war, und das kann nicht genug betont werden, alles andere als einfach. Von der Ausbildung her Musiker, bestritt der Künstler mit der Musik etwas bis 1968 seinen Lebensunterhalt, war aber breit seit 1952 Mitglied im Verband Bildender Künstler. In harter Doppelbelastung (nachts Musiker und tagsüber Maler, Zeichner und Bildhauer) suchte der Friedrichrodaer seine künstlerischen Potenzen und fand auch seine Ausdrucksmöglichkeiten. Bestimmend für seine Entwicklung auf dem Gebiet der bildenden Kunst sollte dabei die Bekanntschaft mit der Leipziger Professorin und Malerin Elisabeth Voigt (gest. 1977) werden, die etwa ab 1954 nachhaltigen Einfluss auf Schubert-Deisters Kunstwollen ausübte.

Unabhängig von seinem Wirken als bildender Künstler fühlte und fühlt sich Werner Schubert-Deister nach wie vor der Musik verbunden. Seine zahlreichen – und auch gegenstandslosen – Arbeiten spiegeln in Farben, Zeichen und Formen immer wieder Musik und Musikantenhaftes wider. Schubert-Deister spannt dabei mit überzeugender Bildkunst den Bogen von Bach bis zu Stockhausen. Für den Maler-Musiker aus Friedrichroda ist es deshalb sicher ein schöner Erfolg, wenn auch er in der großen Sonderausstellung des Leipziger Museum für bildende Künste „Die Musik in der bildenden Kunst“, welche im Herbst anlässlich der Eröffnung des neuen Gewandhauses veranstaltet wird, vertreten sein wird.

Bleibt noch nachzutragen, dass Werner Schubert-Deister am 21. Juli 1021 in Hachelbich bei Sondershausen geboren wurde, also vor kurzem seinen sechzigsten Geburtstag beging.