Kreuz - Inbegriff seiner Hoffnung

Tag des Herrn, 6/91 - von Karl Grüner

Der Maler und Bildhauer Wer­ner Schubert-Deister ist im Alter von 69 Jahren in Hildes­heim gestorben. Dem Künstler, der bis zu seiner Übersiedlung in den Westen vor vier Jahren in Friedrichroda (Kreis Gotha) gelebt hat, verdankt die Kirche in Thüringen viele sakrale Kunstwerke. Beispiele sind die Anfang der 70er Jahre neu er­baute Marienkirche in Meinin­gen und die Kirche des Bergklosters in Heiligenstadt. Auch St. Helena in Schmalkalden ist sein Werk, ebenso der Kreuzweg in der Jesuitenkirche von Erfurt-Hochheim. Madon­nen und Heiligendarstellungen schuf er für die Kirchen in Bermbach in der Rhön, Qued­linburg, Weimar, Jena und Gotha. Bischof Hugo Aufder­beck, der den Künstler sehr ge­schätzt hat, ließ ihn unter anderem die Kapelle im Generralvikariat in Erfurt gestalten und erteilte ihm Bildhauer­aufträge für die Krypta und den Kreuzgang des Erfurter Doms. Holz und Stein waren die bevorzugten Werkstoffe, aus denen Schubert-Deister Reliefs und Statuen voller herber Schönheit herausgearbeitet hat: Christus am Kreuz mit leid­voll entrücktem Gesicht, die Haltung aber majestätisch wie bei einem romanischen Kruzi­fix. Seine Madonnen zeigen ir­disch-mütterliche Züge, voller Anmut – so in Bermbach -, oder sie strahlen übernatürliche Würde aus, wie die Madonna in Meiningen. Beides, das Mütter­liche und das Überirdische, kommt bei der Gottesmutter im Bergkloster von Heiligen­stadt zugleich zum Ausdruck. Sie ist aus 500jährigem Holz vom ehemaligen Dachstuhl des Erfurter Doms gearbeitet. Schubert-Deister ordnete sich scheinbar ganz der vorgegebe­nen Maserung des Holzes unter; in Wirklichkeit aber machte er sie seinem Gestaltungswillen dienstbar.

Weniger bekannt ist das Werk des Malers, Zeichners und Gra­phikers Schubert-Deister. Tau­sende von Blättern und Bild­tafeln hat er als „Schubladen­projekte“ in unermüdlichem Schaffensdrang erarbeitet; ab­strakte Bilder, in denen er die großen bewegenden Themen unserer Zeit, Umweltzerstörung, technologischer Fort­schritt, Krankheit, Leid und immer wieder den Krieg, aufzu­arbeiten versucht hat.

Krieg, Verwundung und Ge­fangenschaft hat der Künstler als junger Soldat selbst mit­erlebt. Vor seiner Einberufung hatte er drei Jahre lang in Bad Frankenhausen Musik studiert. Dieses Studium setzte er von 1946 bis 1949 in Sondershausen fort. Anschließend besuchte er die Hochschule für Buchkunst und Graphik in Leipzig. Dort war Elisabeth Voigt, eine Schü­lerin von Käthe Kollwitz, seine Lehrerin. Erste künstlerische Erfolge in den 50er Jahren fan­den nach dem Bau der Berliner Mauer ein jähes Ende. Für Wer­ner Schubert brachen damals die Beziehungen zu der Welt ab, in der er sich künstlerisch be­heimatet fühlte. Das Pathos des sozialistischen  Realismus war ihm zutiefst fremd. So zog er sich in die innere Emigration zurück und arbeitete abseits des Kulturbetriebes der ehemaligen DDK. Neuen Auftrieb erhielt Schubert-Deister, als Mitte der 70er Jahre Besuche aus dem Westen möglich wurden und Freunde Bilder von ihm in die Bundesrepublik brachten. Er­folgreiche Ausstellungen 1978 und 1979 in Hamburg, Speyer, Konstanz und Neuburg a. d. Donau, die er selbst nicht sehen konnte, brachten dem Künstler in der Bundesrepublik die Aner­kennung, die ihm in der DDR versagt geblieben war. Diese Phase endete mit der Inhaftie­rung der Freunde aus der Bun­desrepublik, als diese ihn 1979 wieder besuchen wollten. Durch eine zweimonatige Haft erpreß­ten die DDR-Behörden von ihnen die Rückführung sämt­licher Bilder, die bis zum heuti­gen Tag beschlagnahmt sind.

Voller Verbitterung, zu der noch die von einem Parteifunk­tionär angeordnete Zerstörung einer seiner Bildhauerarbeiten beitrug, stellte Schubert-Deister 1981, nach der Geburt seines dritten Kindes, den Antrag auf Entlassung aus der Staatsbür­gerschaft der DDR, dem noch weitere folgten. Erst fünf Jahre später, 1986, durfte er mit Frau und Kindern übersiedeln.

In Borsum bei Hildesheim verbrachte der Künstler die letzten Lebensjahre, in denen er sieh mit kaum gebrem­ster Schaffenskraft in teilweise düsteren, doch eindrucksvollen Bildern mit den Folgen von Tschernobyl, mit der Krankheit AIDS und immer wieder mit dem Thema Apokalypse, der Vision der Endzeit, ausein­andergesetzt hat. Wie schon in früheren Arbeiten tauchte auch in diesen letzten Bildern immer wieder das Kreuz auf, das für ihn Ausdruck und Sinnbild all der Sinnlosigkeit und Verzweif­lung einer unheilen Welt war, gleichzeitig aber auch der In­begriff seiner Hoffnung, Sym­bol der Überwindung des Un­heils.