Schüler-Meister - Meisterschüler

Thüringer Landeszeitung, 03.05.2007 - von Hartmut Koch

Das Zeichnen war ihm heilig. Wer nicht in der Lage ist, sagte Werner Schubert-Deister, ein Porträt so zu zeichnen, dass der Betrachter den Schweiß auf der Stirn perlen sieht, versteht sein Handwerk nicht.

Der Maler, Grafiker, Bildhauer und Musiker Schubert-Deister, bis 1986 in Friedrichroda heimisch, war zeitlebens ein Unbequemer und ein Unbeugsamer. Ungeliebtes Mitglied des Verbandes der Bildenden Kunst in der DDR. Beargwöhnt von den Mächtigen, ging er unbeirrt seinen Weg. Bis er in die Mühlen jenes Staates geriet, der mit seiner Kunst nicht das Geringste anfangen konnte. 1986 reiste er – nach einer Intervention der UN-Menschenrechtskommission – in die Bundesrepublik aus. In Niedersachsen, seiner Rübentaiga, wie er spöttelte, lebte Werner Schubert-Deister bis 1991. Allerdings auch ein Stück seiner Thüringer Wurzeln verlustig geworden.

In Friedrichroda gehörte die Erscheinung im schwarzen Cord und obligater Baskenmütze zum Stadtbild. Einmal, so geht heute noch die Geschichte um, hat ihn eine alte Frau angesprochen und gefragt: Sie sind doch der Maler, oder? Schubert nickte. Und die Frau sagte, mein Ziegenstall müsste mal wieder geweißt werden. Der Künstler nickte erneut, schnappte sich schließlich einen Eimer mit Kalkfarbe und machte sich an die Arbeit. Für die einen war er ein Rübezahl, für die anderen ein begnadeter Künstler. Er wolle, sagte er immer wieder, in seiner Zeit das Neue schaffen. Und das waren Bilder, die sich nicht sofort offenbarten, die den Betrachter, in eine andere, eigene Welt zwangen und die Auseinandersetzungen mit dem Thema forderten.

Dreimal hat Schubert-Deister in seiner näheren Heimat ausgestellt. Zweimal im Gothaer Schloss, nämlich 1975 und 1978. Und für einen Abend zeigte er zu Beginn der 80er Jahre seine Bilder in der HO-Gaststätte „Ratskeller“ in der Residenzstadt.

Am kommenden Montag wird erneut in seiner Thüringer Heimat eine Ausstellung mit Werken von Werner Schubert-Deister eröffnet. Die Rhön-Rennsteig-Sparkasse stellte in ihrer Hauptstelle in Meinigen die Ausstellungsräume zur Verfügung. Und das ist, um einen viel gebrauchten Satz zu strapazieren, gut so. Allerdings betrüblich ist, dass Gotha und das Schlossmuseum wenig Interesse an einem Künstler zeigen, dessen Werk in die Öffentlichkeit gehört.

Schubert-Deister, die G­thaer Künstler, Kurt W-Streubel und Kurt Meusel verkörpern eine Generation, die auf eigene Art für Kunstpolitik und Kunst während der DDR-Zeit in Thüringen stehen. Abseits des gepriesenen sozialistischen Realismus gingen sie ihre Wege. Ihre Werke sind so also auch Zeitgeschichte, die Aufarbeitung fordert.

Die Ausstellung in Meiningen, die während der Geschäftszeiten der Sparkasse bis 31. August zu selben ist, trägt den Titel „Schüler-Meister – Meister-Schüler“. Während aus der Sammlung Holger Baumbach die Arbeiten des Meisters zu sehen sind, ergänzt sein Schüler Gert We-ber die Schau.

Aufregend wie vor drei Jahrezehnten

Bevor der Künstler aus Gräfenhain das Handtuch warf und 1974 der Hochschule für Bildende Kunst in Dresden ein für alle Male den Rücken kehrte, verbrachte Gert Weber eine ganze Nacht am Eibufer. „Ich habe nachgedacht“, erinnert er sich, „meine Entscheidung überdacht, doch wie ich es auch drehte und wendete, mir Wurde immer klarer, dass ich an der Hochschule vor die Hunde gehen würde.“ In jener Nacht erinnerte er sich auch an Schubert. Allerdings kannte er ihn nur vom Hörensagen. „Jedenfalls habe ich damals meine Mappe geschnappt, bin nach Friedrichroda gefahren und habe mich bei Schubert vorgestellt.“ Nachdem er seine Geschichte erzählt hatte, legte dieser seinen Arm um ihn und sagte, dass er seine Entscheidung für die richtige halte. Damit war er für zwei Jahre Schüler bei Werner Schubert-Deister.

Es waren keine einfachen Jahre. Besondern aufs Zeichnen legte Schubert großen Wert, zeichnen bis zum Überdruss. Das Handwerk müsste beherrscht werden, und zwar aus dem Effeff. Die Motive: eine zerknüllte Zeichnung und ein Pferdeschädel, der verwinkelte Hof hinterm Haus. „Ich will lesen können, was auf der Zeitung geschrieben steht“, hatte Schubert gefordert und gnadenlos jeden Fehler bloßgelegt. Doch es war nicht nur ein Schüler-Lehrer-Verhältnis, das die beiden verband. Aus dem Schüler wurde der Freund. Schon 1975 stellten sie gemeinsam in der St. Michael-Kirche in Jena aus. Und Weber offenbart dort schon, dass er als Schubert-Schüler einen völlig anderen Kunststil ver­tritt. „Das war das Geniale an Schubert-Deister“, sagt der einstige Schüler, „er zwang mir nichts auf, er lehrte mich, was er wusste, und das war viel, und er lehrte mich, meinen Weg zu gehen.“

Weber, der im Verband der Bildenden Kunst im damaligen Bezirk Erfurt als großes Talent galt, als Hoffnungsträger, scheiterte hier wie sein Meister. „Man hat mir im Verband zu verstehen gegeben, dass man Großes mit mir vorhabe“, erinnert er sich, „doch sollte ich mich zunächst von Schubert lossagen.“ Das hat Gert Weber nie getan. Er wählte in der DDR das innere Exil, arbeitete für die Schublade.

Dass er heute gemeinsam mit Schubert-Deister ausstellt, ist für ihn immer noch so aufregend wie damals 1975. „Und ich kann meinem Lehrer etwas zurückgeben.“