Die Verantwortung des Menschen

“Neue Zeit”, 13.10.1957

Am 5. Oktober wurde bekannt, dass es sowjetischen Wissenschaftlern gelungen ist, der Erde einen von Menschenhand geschaffenen Trabanten zuzugesellen. Es ist gewiss nicht selbstverständlich, dass ein Maler diese Meldung von der epochemachenden Leistung der Sowjetwissenschaft zum unmittelbaren Anlass einer künstlerischen Arbeit nimmt. Es ist umso bedeutsamer und erfreulicher, dass dies ein junger und christlicher Maler aus der DDR getan hat.

Werner Schubert aus Sondershausen – dies ist der junge, den Lesern der “Neuen Zeit” (vgl. Nr. 227) nicht unbekannte Künstler – hat dieses Ereignis keine Ruhe gelassen. Für ihn war der Sputnik keine “Sensation”, wie es nicht sehr zutreffend im Leitartikel der “Neuen Zeit” vom 9. Oktober hieß. Für ihn war der künstliche Trabant der Erde ein elementares geschichtliches Ereignis, das das Lebensgefühl der Menschheit und ihren Weg durch die Welt tiefgehend verändert.

Der Mensch ist neben den Kosmos gestellt. Ein von Menschenhand geschaffener Satellit folgt dem Fingerzeig des Menschen, der die Gesetze der Welt durchschaut und sich dienstbar gemacht hat. Das kann der Mensch aber nur, wenn er “gewappnet” ist – und dieser von Schubert neben den Kosmos gestellte Mensch ist gewappnet. Vielleicht kommt er einem zunächst etwas fremd vor – vielleicht meint man, Schubert habe vielleicht ein wenig zu sehr nach Jules Verne geschielt. Man würde dem jungen Maler indes unrecht tun, würde man sein Bild so ausdeuten wollen. Richtiger ist offenbar, darauf hinzuweisen, dass hier der Mensch der Zukunft gezeigt werden sollte – der Mensch aus einem völlig anderen Erlebnisbereich, der Mensch aber auch, der trotz allen seinen Fähigkeiten auf dieser Erde und somit “gewappnet” bleiben muss. Der “gewappnete”, der verantwortungsbewusste Mensch vor dem weiten Horizont einer neuen  Zukunft – das ist offenbar das, was Schubert gestalten wollte, das ist seine menschliche und christliche Aussage in diesem Blatt.

Dass die Aussage auch politisch lokalisiert ist, insofern nämlich, als dieser gewappnete Mensch vor dem Hintergrund der sozialistischen Wirklichkeit der Sowjetunion steht, macht dieses im besten Sinne des Wortes aktuelle Werk auch gesellschaftlich wahr und erhöht seine Bedeutung. Jedenfalls kann man sagen: ein junger christlicher Künstler der DDR erwies sich einem historischen Ereignis gegenüber auf der Höhe und gewappnet.